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From Multimodality to Multisensoriality: Language, Body, and Sensoriality in Social Interaction (int.Senses)

int.Senses ist ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziertes Forschungsprojekt am Französischen Seminar der Universität Basel (2018-2022), welches sich der Erforschung der bisher vernachlässigten Sinne Riechen, Schmecken und Fühlen annimmt. 
Seit Aristoteles’ «De Anima» werden die fünf Sinne in einem Modell hierarchisiert, welches über die ganze westliche Geschichte hinweg reproduziert wird: Hören und Sehen werden als «noble» Sinne aufgefasst, während Riechen, Schmecken und Fühlen als untergeordnete Sinne gelten.
Die Aufmerksamkeit der Philosophie und der Wissenschaft galt für eine lange Zeit dem Hören und Sehen. Selbst zeitgenössische linguistische Ansätze wie beispielsweise die multimodale Konversationsanalyse, die den Körper als grundlegende ‘Ressource’ für Sprache und die soziale Interaktion im Allgemeinen erkennt, hat sich in erster Linie darauf konzentriert, was der soziale Mensch in seinem Alltag sieht und hört, und wie er dies für Interaktion relevant macht.
In unserem Projekt zeigen wir, dass den ‘untergeordneten Sinnen’ eine viel grössere Relevanz zugeschrieben werden muss, als dies bisher geschah. Dafür analysieren wir alltägliche sensorische Praktiken, welche Menschen im Umgang mit Essen produzieren. Unsere Analysen basieren auf verschiedensten Aktivitäten, wo Essen eine Rolle spielt: einkaufen, kochen, essen – in der Natur, auf dem Markt, zu Hause, in der Schule, etc. Interaktionen um Essen dienen als beispielhafter Kontext, wo Riechen, Schmecken und Tasten unabdingbar sind.
Im Zentrum unserer Forschung steht die ‘Intersubjektivität’ dieser Sinne: Obwohl jedes einzelne Sinneserlebnis ein individuelles und privates Erlebnis ist, erlaubt es uns unsere Sprache, dieses Erlebnis für unsere Mitmenschen verständlich zu machen. Dieser Aspekt der Interaktion geht über die einfache Benennung eines Geruches hinaus: Aus unseren Analysen kommt hervor, dass Menschen ganz klar zeigen können, dass man aktiv etwas am riechen ist, und dass dies für die Interaktion relevant sein wird.
Wir benützen für unsere Forschung eine videobasierte, empirische Methodologie und halten Aktivitäten fest, die nicht speziell für unsere Beobachtungen orchestriert waren (naturalistische Daten – keine herbeigeführten Experimente). Bis anhin umfassen unsere Daten Französisch, Schweizerdeutsch, Deutsch, Italienisch, Schwedisch, Spanisch, Türkisch und Arabisch.
Für unsere Analysen transkribieren wir die Daten minutiös und annotieren alle relevanten Aspekte, die uns Hinweise darauf geben, wie die Personen ihre Sinne einsetzen. Das folgende Transkript ist ein Beispiel dafür, welche Rolle der Geruchssinn in einer interaktionalen Sequenz spielen kann. Die Sequenz wird durch eine Frage eröffnet und mit verschiedenen Beschreibungen abgeschlossen. Diese Beschreibungen, welche mögliche Antworten auf die ursprüngliche Frage darstellen, werden jedoch erst durch eine ‘Geruchsinspektion’ des Objektes (ein Stück Käse) ermöglicht. Die Tatsache, dass sich die beiden Personen einig sind, wird durch ihren geteilten Zugang zum Objekt hergestellt.

Zur Webseite des Projekts
 

Das «int-Senses»-Team:

Prof. Dr. Lorenza Mondada
Dr. Laurent Camus
Dr. des. Hanna Svensson
Dr. des. Burak Tekin
Sofian Adam Bouaouina, MA
Guillaume Gauthier, MA

Transkriptionskonventionen: Conventions for transcribing multimodality