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Beatrice Mall-Grob: Kursleiterin und Koordinatorin für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Basel

Beschreiben Sie in 4-5 Sätzen Ihre aktuelle berufliche Tätigkeit und was Sie daran besonders schätzen.
Ich unterrichte am Sprachenzentrum der Universität Basel Deutsch als Fremdsprache und betreue diesen Fachbereich als Fachkoordinatorin. Als Kursleiterin schätze ich besonders meine anspruchsvollen und herausfordernden Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer, die trotz ihrer starken Beanspruchung durch Studium und Forschung hochmotiviert sind, die deutsche Sprache zu lernen. Die kulturelle, fachliche und auch altersmässige Heterogenität der Gruppen, die ich unterrichte, finde ich attraktiv, weil das die Diskussionen und Gespräche enorm bereichert. In meinem Kursraum begegnen sich Menschen aus der ganzen Welt und kommen miteinander ins Gespräch. Ihnen das in der deutschen Sprache zu ermöglichen, ihnen sozusagen die Mittel zu geben, das möglichst differenziert und gut zu tun, ist meine wunderbare Aufgabe. Das Schöne an meiner Tätigkeit ist, dass ich dabei wohl mindestens so viel von meinen Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern lerne wie sie von mir. Als Fachkoordinatorin entsprechen mir die Vielfalt der Aufgaben und die Gestaltungsspielräume bezüglich des Kursprogramms und des Curriculums sowie der – auch sprachübergreifende – fachlich-didaktisch Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen.

Wie sind Sie zu Ihrem heutigen Beruf gekommen?
Nach meinem Studium hatte ich zuerst die Chance, am Deutschen Seminar als Assistentin mit Lehrverpflichtung Studienanfängerinnen und -anfänger in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft einzuführen. Obwohl ich nie Lehrerin werden wollte, habe ich dank dieser Tätigkeit meine Freude am Vermitteln und Unterrichten entdeckt und gemerkt, dass ich sehr gerne mit Erwachsenen arbeite. Daneben und im Anschluss an diese Stelle habe ich meine Doktorarbeit geschrieben. Ich hätte daher nicht gedacht, dass ich je Deutsch als Fremdsprache unterrichte, sondern habe zunächst Verschiedenes ausprobiert, von dem ich mir erhoffte, meine langjährige Beschäftigung mit Literatur beruflich fruchtbar zu machen,  wie Literaturkritik und parallel dazu Literaturvermittlung an der Volkshochschule Basel. Diese Tätigkeiten haben mir zwar sehr zugesagt, aber von einem beruflichen Standbein konnte dabei keine Rede sein. Aufwand und Ertrag standen in keinem Verhältnis. Meine Motivation, mich Deutsch als Fremdsprache zuzuwenden, war, mir ein berufliches Standbein neben meinen „Spielbeinen“ aufzubauen und gleichzeitig mit Sprache und Erwachsenen arbeiten zu können. Zudem gab mir diese Tätigkeit die Flexibilität und den Spielraum, Familie und Beruf zu vereinen. Ich habe parallel an verschiedenen Sprachschulen gearbeitet und Erfahrungen gesammelt. Am Sprachenzentrum der Universität Basel habe ich mich spontan beworben und mit wenigen Stunden im Honorarvertrag angefangen. Parallel dazu habe ich mich pädagogisch und didaktisch weitergebildet und schliesslich den Eidgenössischen Fachausweis als Ausbilderin gemacht.

Welche Fächerkombination haben Sie an welcher Uni studiert?
Ich habe im Hauptfach Deutsche Philologie (Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft und Mediävistik) und Neuere allgemeine Geschichte sowie Allgemeine Geschichte des Mittelalters in den beiden Nebenfächern in Basel und München studiert und auch gezielt einzelne Vorlesungen in Zürich besucht.

Was hat Sie zu einem Studium der Sprach- und Literaturwissenschaften bewogen?
Ich habe Deutsch, aber auch die anderen Sprachen, inklusive Latein, in der Schule immer geliebt. In meiner Muttersprache war es, neben der inhaltlichen und ästhetischen Auseinandersetzung mit Literatur, vor allem das Schreiben und Formulieren, was mich reizte. Mit der Sprache und ihren Möglichkeiten zu arbeiten und um die treffende Formulierung oder einen guten Text zu ringen, das hat mich schon immer gepackt und fasziniert. Schon in der Schulzeit habe ich gerne geschrieben und grössere Arbeiten verfasst oder Projekte verfolgt. Ich schürfe gern tiefer und setze mich gerne auch über längere Zeit mit einem Thema auseinander. Deshalb habe ich Germanistik studiert und bin – trotz anfänglicher Liebäugelei mit einem Medizinstudium – dabei geblieben.

Was ist das Wichtigste, das Sie aus Ihrem Studium für Ihre berufliche Tätigkeit mitgenommen haben?
Eine ausgesprochene Text-, Schreib- und Sprachkompetenz ist wohl das, was ich durch mein Sprach- und Literaturstudium neben der Auseinandersetzung mit den fachlichen Inhalten entfalten und ausbilden konnte. Die Affinität für Texte und sprachliche Gestaltungsmöglichkeiten, die ich ins Studium mitgebracht habe, hat durch das Studium der Literatur- und Sprachwissenschaft ein starkes Fundament bekommen, wobei ich die Jahre meiner Doktorarbeit unbedingt dazurechne. Denn die Intensität, mit der ich während meiner Doktorarbeit komplexe Texte analysiert und selbst eigene Texte produziert habe, ist eine Form der Sprachschulung, die man gar nicht hoch genug einschätzen kann. Ich zehre bei meiner heutigen Tätigkeit auf jeden Fall davon.

Welche Tipps geben Sie angehenden Studierenden der Sprach- und Literaturwissenschaft mit auf den Weg?
Es ist ein wunderbares und lohnendes Studium, aber man sollte nie die beruflichen Perspektiven ausser Acht lassen. Welche beruflichen Tätigkeiten kann man sich vorstellen? Ich finde es wichtig, schon während des Studiums mit Praktika Erfahrungen zu sammeln. Ich hatte das Glück, so die Radio- und Verlagsarbeit kennen zu lernen. Eine gewisse Flexibilität ist ebenfalls wichtig, denn die tollen Stellen sind in unserem Bereich nun einmal rar und oft ist es neben der fachlichen Qualifikation auch entscheidend, die richtigen persönlichen Beziehungen zu haben oder im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein. Es ist daher immer gut, wenn man verschiedene Wege sieht, wie man das, was einem wichtig ist, beruflich umsetzen kann. Für mich war klar, dass in meiner beruflichen Tätigkeit die Sprache im Zentrum stehen muss. Hier war ich zu keinen Konzessionen bereit. Aber ich konnte mir immer verschiedene Möglichkeiten vorstellen, das zu realisieren und habe auch zugegriffen, wenn sich eine Chance dazu bot.

Beatrice Mall-Grob zum Thema Mehrsprachigkeit und Deutsch als Fremdsprache

Sie koordinieren und unterrichten am Sprachenzentrum der Universität Basel Deutsch als Fremdsprache. Welche Bedeutung hat das Erlernen der deutschen Sprache für die Kursteilnehmenden hinsichtlich ihres Studiums/ihrer akademischen Tätigkeit und weiterer Lebensbereiche?
Deutsch ist an einer deutschsprachigen Universität natürlich relevant als Studiersprache und je nach Fach auch als Wissenschaftssprache. Deutsch ist aber für meine Kursteilnehmenden auch eminent wichtig als Sprache der Integration in ein deutschsprachiges Umfeld, als Lokalsprache und Umgangssprache mit den mehrheitlich deutschsprachigen Studien- oder Arbeitskollegen. Viele meiner Kursteilnehmenden sind Mitarbeitende der Universität oder PhDs und haben schon Familie. Für sie ist das Erlernen von Deutsch ganz wichtig, um sich in Basel sozial zu integrieren und ihre Kinder im Alltag besser zu begleiten.

Weshalb müssen mehrsprachliche Kompetenzen an der Universität gefördert werden? Welche Relevanz hat Mehrsprachigkeit im Hochschulkontext für Forschung, Lehre und Individuen?
Die Universität Basel hat eine starke internationale Ausrichtung. Es ist daher zentral, dass ihre Studierenden und Mitarbeitenden sprachlich eine gewisse Flexibilität haben und neben ihrer Muttersprache und der lingua franca Englisch auch weitere Fremdsprachen lernen. Denn Mehrsprachigkeit und Interkulturalität gehen Hand in Hand. In der Forschung arbeitet man in internationalen Teams, aber auch gesellschaftlich leben wir heute in einem multikulturellen Umfeld. Wir Einheimischen sollten nie vergessen, wie es für die Zugewanderten ist, sich im Alltag und bei der Arbeit ständig in einer Fremdsprache – Deutsch oder Englisch – ausdrücken zu müssen und entsprechend in den Ausdrucksmöglichkeiten oft auch limitiert zu sein. Eine Fremdsprache zu lernen unterstützt die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel. Es sensibilisiert und verleiht uns ein offenes Ohr für die Menschen und ihre Sprachen in unserem Umfeld. Gerade in der mehrsprachigen Schweiz sollten wir die anderen Sprachen nicht vergessen. Menschen in ihrer Sprache anzusprechen, selbst wenn sich das auf wenige Wörter beschränkt, ist Ausdruck der Wertschätzung und der Wahrnehmung des Anderen.

Welche Rolle spielt Mehrsprachigkeit in Ihrem Leben und in Ihrem Beruf?
Ich bin leider nicht mehrsprachig aufgewachsen und blicke immer etwas neidvoll auf jene, die schon durch ihre Herkunft mehrere Sprachen selbstverständlich mitbekommen haben. Persönlich habe ich eine Affinität für die französische Sprache, die ich sehr liebe und auch pflege, wann immer ich dazu Gelegenheit habe. Da wir am Sprachenzentrum ein internationales Team sind, habe ich viel Gelegenheit, andere Sprachen zu hören und Englisch und Französisch auch zu verwenden. Englisch brauche ich beruflich, wenn ich es mit Anfängerinnen und Anfängern zu tun habe. Es tut mir als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache übrigens ganz gut, selbst auch immer wieder das Fremdsprachenfeeling zu haben…

Dezember 2020

Beatrice Mall-Grob ist Kursleiterin und Koordinatorin für das Programm Deutsch als Fremdsprache am Sprachenzentrum der Universität Basel. Sie hat in Basel, München und Zürich Deutsche Philologie, Neuere allgemeine Geschichte sowie Allgemeine Geschichte des Mittelalters studiert und am Deutschen Seminar der Universität Basel promoviert.